Pferde - übergroße Spürhunde auf 4Hufen?!
Das Leben unserer Pferde wird bestimmt von unzähligen Gerüchen.
Bestimmte Gerüche können bei Pferden angenehme, aber unangenehme Verknüpfungen ("Erinnerungen") hervorrufen je nachdem, ob sie mit diesem Geruch positive oder negative Erfahrungen gesammelt haben (Krueger und Flauger 2011).
Diese "Einordnung" ist für das Fluchttier Pferd absolut überlebenswichtig und stellt im Alltag zuweilen eine echte Herausforderung für die Tiere dar. Die Riechfähigkeit ist so gut ausgeprägt, dass z.B. Wasser in 2km Entfernung "geortet" werden kann.
Würde man die Riechzellen der Pferdenase wie einen Teppich anordnen, so würde selbiger fast den gesamten Körper des jeweiligen Tieres bedecken.
Eine Sonderform des sehr intensiven Riechens ist das Flehmen.
Im Fachjargon 'fokussiertes Riechen', übersetzt: 'anstieren mit dem Geruchssinn'.
Wir kennen den Anblick: Das Pferd nimmt den Kopf hoch, Zahnfleisch und Zähne werden sichtbar, da die Oberlippe quasi nach oben gestülpt wird und auf diesem Wege die Nasengänge verschlossen werden.
(Zuweilen werden auch die Augen so dermaßen verdreht, dass der bemühte, zweibeinige Betreuer die Konsultation eines Optikers durchaus in Erwägung zieht.)
Alle anderen Dufstoffe der Umgebung werden ausgeschlossen. Das Tier konzentriert sich ausschließlich auf diesen EINEN Duft.
Die Luft wird tief eingesogen und gelangt so bis ans Ende des Gaumens, an welchem sich das Jacobson'sche Organ befindet.
Ein Organ, welches nach seinem Entdecker, dem dänischen Mediziner Ludwig Levin Jacobson, benannt wurde und beim Menschen (wenn überhaupt noch) lediglich rudimentär vorhanden ist.
Während dieses Vorgangs werden bis zu 2mm große Einbuchtungen zu beiden Seiten der Nasenscheidewand freigelegt. Das Pferd flehmt.
Duftstoffe, welche ein Pferd als ganz besonders einstuft, werden herausgefiltert und über das limbische System in Bruchteilen von Sekunden sehr komplexe Abläufe im Pferdehirn eingeleitet.
Hier muss ich jetzt aber mal gaaaanz genau riechen.
Anlass für Sir Mac bot hier ein ihm unbekanntes Leckerchen mit einem völlig neuen Geschmack und eben auch Geruch.
Für "Mr. Skepsis" eine Herausforderung. Allerdings sprach für die absolute Verfressenheit eines Tinkers und sein Vertrauen zu mir der Umstand, dass es das Leckerchen bis in die Maulhöhle schaffte und tatsächlich vertilgt wurde. Nachschub wurde selbstverständlich auch geordert.
Flehmen und auch das weite Aufblähen der Nüstern hat unterschiedliche Ursachen. Von sexueller Erregung, über extremen Stress, Schmerz oder auch Angst kann es alles sein.
Der Geruchssinn von Pferden muss absolut fundamentale Aufgaben erfüllen.
Wasser und Nahrung werden ebenso u.a. "erschnüffelt", wie Giftpflanzen, verdorbenes Futter, potentielle Sexualpartner bzw. Geschlechter können zugeordnet werden.
Selbst der Gesundheitszustand anderer Herdenmitglieder wird auf diese Weise "geprüft", vierbeinige Freunde auch nach Jahren erkannt.
Begegnen sich zwei einander fremde Artgenossen, so kann man ganz oft beobachten, dass zunächst die Nasen dicht aneinandergehalten werden.
Der Duft des anderen wird tief eingeatmet und innerhalb von Bruchteilen von Sekunden entschieden
Ich kann dich riechen, du bist ok für mich.
Foto: erste Begegnung Sparkle (8 Jahre), Horsti (8 Monate) beide verbindet fortan etwas Wunderbares - Freundschaft
Mag einer der Akteure den Geruch des anderen, aus welchem Grunde auch immer, nicht, wird dieses durch lautes Quieken, meist begleitet von drohendem Aufstampfen mit einem Vorderbein begleitet, sehr deutlich kundgetan.
Ursächlich für dieses Verhalten sind die von jedem Körper selbst und individuell produzierten chemischen Botenstoffe, sogenannte Pheromone.
Selbige ermöglichen den Tieren untereinander u.a. eine sehr intensive, lautlose Kommunikation.
Die Mutterstute nimmt nach der Geburt ihres Fohlens dessen ureigenen Geruch auf und speichert ihn ab. Umgekehrt verhält es sich ebenso und fortan sind beide in der Lage sich anhand von Stimme und Geruch wiederzufinden, falls das Fohlen innerhalb der Herde "verlorengehen" sollte.
Gleiches gilt übrigens auch für Pferdefreunde, welche sich nach Jahren (oder auch nach Jahrzehnten) der Trennung wiedersehen. Sie erkennen sich u.a. am ureigenen Geruch des anderen wieder.
Das für uns Menschen zuweilen widerlich anmutende Schnüffeln am Kot anderer Pferde hat gleichfalls eine wichtige Bedeutung für die Interaktionen zwischen den Tieren. Sie erriechen auf diese Art und Weise, wer hier ihnen unterwegs war - der geliebte Kumpel, der "Lieblingsfeind", eine rossige Stute oder - für Henste hochinteressant - ein Konkurrent.
Letzteres hat dann zur Folge, dass die Kotballen gnadenlos zertrampelt werden oder ein neuer Kothaufen direkt auf der zerstörten Hinterlassenschaft des Nebenbuhlers abgesetzt wird.
Über dem Kot von Stuten wird meist ein Strahl Urin abgesetzt, um hier schon mal ganz deutlich zu machen "DAS ist MEINE".
Je nach Windrichtung können Fressfeinde frühzeitig wahrgenommen, die Herde gewarnt und eben gemeinsam die Flucht ergriffen werden. (Raubtiere schleichen sich aus eben diesem Grunde gegen den Wind an ihre Beute an, um eben dieses - zu frühe - Wahrnehmen durch ihr potentielles "Abendessen" zu vermeiden.)
Der Faktor Riechen ist daher beim Pferd niemals zu unterschätzen und zuweilen genügt es, dass ein Jungpferd ein älteres Pferd beobachtet (und eben auch die entsprechenden Gerüche wahrnimmt) während z.B. gerade schlechte Erfahrungen mit dem Schmied oder dem Tierarzt gesammelt werden (welche leider nicht immer unvermeidbar sind).
Obgleich das Jungpferd selbst diese Erfahrungen nicht gesammelt hat, wird es beim nächsten Besuch des Hufschmiedes oder des medizinischen Personals nicht unbedingt hocherfreut reagieren.
Instinktiv verabscheuen Pferde aber auch Gerüche nach Blut und Verwesung. Dieses liegt in ihrem Naturell als potentielles Beutetier begründet.
Vor einem Gebüsch, welches schon hunderte Male problemlos passiert worden ist, wird plötzlich gescheut.
Geister, Raubtiere, welche am Wegesrand ihr Unwesen treiben?
Nein, im Gebüsch liegt der verwesende Kadaver eines Tieres. Zunächst nicht sichtbar, ABER das Pferd hat ihn gerochen und möchte instinktiv mit Flucht reagieren.
So mancher Tierarzt musste auch schon die Erfahrung sammeln, dass das wirklich von Herzen kommende Leckerli vom Patienten verschmäht wurde.
Verantwortlich für ein derartiges Verhalten ist vermutlich nicht nur der ( ihn eventuell) umgehende Geruch von Desinfektionsmittel, sondern vielleicht vielmehr das eine Minitröpfchen Blut irgendwo an seiner Hand, von welchem niemand so genau weiß, wie es seinen Weg dorthin gefunden hat.
Ihr äußerst sensibler Geruchssinn versetzt unsere Pferde gleichfalls in die Lage Angst des Betreuers/Reiters wahrzunehmen.
In Stress-/Angstsituationen wird Adrenalin vom Körper ausgestoßen, welches Pferde im Schweiß blitzschnell riechen können.
Aus diesem Grunde sollte man gar nicht erst versuchen vor einem Pferd zu schauspielern. Es wird die Situation immer durchschauen oder besser "den Braten riechen" und das "Denken" des Pferdes setzt ein.
'Wenn der Chef Schiss hat, dann ist das gar nicht gut für mich. '
Im Zweifel reagiert das Pferd instinktiv mit Flucht.
Aus diesem Grunde sollte man auch als Mensch mit dem Partner Pferd gemeinsam immer nur so weit gehen, wie man sich selbst sicher ist/fühlt. Niemand ist perfekt und es wird immer Situationenen geben, in welchen die Angst überkommt. Wichtig ist hier die Ruhe zu bewahren und dem Pferd zu vermitteln
'Ist alles nicht so schlimm. Wir schaffen das. Gemeinsam.'
ABER es gibt auch immer wieder diese wundervollen Momente, in welchen Pferde einfach riechen oder auch spüren, dass der kleine Zweibeiner eben ganz besonders behandelt werden muss.
Eine Form der Empathie, welche der Spezies Equus caballus abolut zueigen ist.
Zusammenfassend können wir also feststellen, dass Pferde sich und ihre Umwelt zu einem sehr großen Teil über Gerüche wahrnehmen.
Bitte verfälscht dieses "Lebensbild" der Tiere nicht dadurch, dass ihr selbst stark parfümiert beim Vierbeiner "aufschlagt".
Dem geliebten Pummeleinhorn ist es wurscht, wie ihr ausseht - ABER NICHT - wie ihr riecht.
Auch möchte der geliebte 4Hufler nach intensiven Reinigungsaktionen riechen, als hätte er gerade die Filliale einer großen Parfümeriekette geplündert.
Auch der schönste Tinker benötigt - zumindest aus Sich von "Mama" -
ab und an eine kleine (oder auch größere) Beauty-Session.
Mr. Bobby hat es über sich ergehen lassen, echte Begeisterung sieht anders aus.
Es war eben meine Idee und nicht sein. Aus seiner Sicht komplett überflüssig, aber für die Leckerchen zwischendurch konnte Herr Pferd diesen Unsinn ja mal mitmachen.
Wie immer - kann ich meinen Mitarbeitern auf 4Hufen nur für Ihr Verständnis und die freundliche Mitarbeit danken.
Unsere Pferde riechen am liebsten so, wie sie immer riechen - einfach nach Fury, Sissy oder - bei uns - nach Mac, Bobby und Horsti.