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Pferd - Des Tinkers Langhaar - Segen oder Fluch

Susanne Uekermann-Vetter • 7. August 2023

Des Tinkers Langhaar - Segen oder Fluch?


Tinker haben im Allgemeinen einen sehr voluminösen Schweif, welcher von jedem Warm-, Vollblut oder Quarter oder besser deren Besitzern neidisch beäugt wird. Sicherlich "macht" so ein dicker, langer Schweif schon etwas her, ABER ist es tatsächlich so toll für das Tier, welches tagein, tagaus damit herumlaufen muss? Absolut unzweifelhaft eines DER Rassemerkmale.
 

Die rassetypischen, äußeren Merkmale - ein wirklich schmaler Grat zwischen Nachfrage am Markt und Tierwohl.


Der Tinkerbesitzer verwendet Stunden seines Daseins darauf, das gute „Stück“ zu kämmen, waschen, einzuflechten und gefühlte Tonnen von Pflegemitteln darin „zu versenken“, damit das Teil überhaupt kämmbar ist. Die Langhaarbürste verrichtet echte Schwerstarbeit und kapituliert oft nach 2 Jahren „Betrieb“. Es gibt wahre Wettbewerbe unter den Besitzern „Wer hat den dicksten, schönsten Schweif“ und bei einem Schimmel ist das Teil natürlich auch gerne mal in „rotbraun/-grün“ eingefärbt, vorwiegend in dem Bereich, der den Äpfeln nun mal am nächsten kommt.

Da in Deutschland gehaltene Vertreter dieser Rasse oft nicht adäquat ernährt werden (können), haben sie gerne Kotwasser und/oder weichen Kot (Ein Phänomen, welches auch bevorzugt weitestgehend aus dem Nichts bei Turnieren vorkommt und dann eher der allgemeinen Aufregung geschuldet ist.), was die Sache natürlich nicht besser macht und die „Not“ des Betreuers ist groß. 


Lassen wir jetzt unsere menschliche Eitelkeit mal beiseite und schauen uns diese echten Haarmassen genauer an.
 
Für uns Tinkerfans gehören ein langes, dichtes (vorwiegend) Langhaar incl. der Puschel (richtigerweise Kötenbehang oder im Englischen feather) einfach zum Tinker.
Neben den charakterlichen Eigenschaften ist dies ein Hauptgrund sich überhaupt dieser Rasse zu verschreiben. Wir können unsere ureigenen, meist weiblichen, Instinkte in Sachen Hairstyling ungestraft ausleben und niemand beschwert sich. Allerdings - wissenschaftliche Studien einer italienischen Arbeitsgruppe zeigten, dass Pferde sich selbst im Spiegelbild erkennen können und Dinge, welcher Ihrer Meinung nach nicht "hingehören", werden durchaus versucht zu entfernen (Baragli et al. 2021).

Bei diesen "Haarmassen" des Tinkerleins handelt es sich allerdings um eine Genmutation, genannt Hypertrichie, welche durch züchterische Selektion und Verpaarung besonders „haariger“ Gesellen weiterhin gefördert wurde und wird. Für meinen Geschmack übertreibt es die Zucht hier mittlerweile speziell bei den Traditional Irish Cobs. Wir reden an dieser Stelle eigentlich über eine genetisch bedingte Abnormität.
 
Zu viel ist zu viel. Bei allen Schönheitsidealen - Gesundheit und Wohlbefinden des Tieres sollten absolut IMMER im Vordergrund stehen.


Wir alle kennen diese Videos, in denen sich Tinker beim Hinlegen und/oder Aufstehen in den exorbitant langen Mähnen (welche auch gerne verknoten) verfangen (größtenteils mit den Hinterhufen) und dann einfach nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen können. Ohne zeitnahe menschliche Hilfe mittels einer Schere der sichere Tod des betroffenen Tieres.

Auch sind wir maßlos enttäuscht, wenn sich das Tinkerlein beim Aufstehen auf einen der mit „Herzblut“ eingeflochtenen Zöpfe der langen Mähne tritt und dabei ggf. den Zopf sogar abreißt. Das bedeutet ein Loch im Langhaar der Mähne. Für uns Menschen sieht es wenig ästhetisch aus. Dem Tinkertier ist die Korrektheit seines Spiegelbildes übrigens völlig egal. Hier zählt nur: „Puh, Schwein gehabt, noch mal hochgekommen. Ich muss nicht sterben.“ 

Das spätere Gemecker von Mutti prallt am Tinkerhirn ab. Aus Sicht des Tieres geht es ohnehin nicht um die Schönheit, sondern schlicht und ergreifend, um LEBEN und TOD und sich so einen geflochtenen Zopf beim Aufstehen auszureißen, tut dem besten Tinker schlicht und ergreifend weh. Mit „Absicht“ tun das kein Tier.
 

Pferde ohne diese Genmutation haben übrigens kurze Mähnen und einen vergleichsweise spärlichen Schweif. Es ist immer wieder erstaunlich, WIE beweglich ein Schweif ist. Der Schweif dient vorrangig dem Schutz des empfindlichen Genitalbereiches. Bei den Behangpferderassen, deren Ursprung in recht regenreichen Gebieten liegt, leiten die Behänge das Regenwasser ab und schützen so die empfindlichen Beine vor stetiger Nässe. Etwa 0,5 cm des Behanghaares vor der Haut sind meist trocken und auch sauber. Die Behänge sollten allerdings etwa bis auf Höhe des Kronsaumes gekürzt werden, damit sich die Tiere nicht selbst drauftreten, genauer gesagt bei Regen wirklich richtig mit Wasser vollsaugen. Auch wird so die Arbeit des/r Schmied/in extrem erleichtert. Freie Sicht auf das Arbeitsfeld – die Hufe.

Beim Befall mit Milben (die Praxis hat gezeigt, dass die Mauke/Raspe beim Behangpferd meist dort ihrenUrsprung findet) favorisiere selbst ich bekennender "Puschelfan" allerdings das rigorose Kürzen mittels Schere auf eine maximale Haarlänge von etwa 0,5cm - 1cm. Das Ganze bitte so lange, bis die Behandlung definitiv abgeschlossen ist. Es bedeutet größtenteils stetiges Kürzen über mehrere Monate hinweg.

Bitte hier nicht abrasieren, da nachwachsende Haare jucken und gerade zusätzlicher Juckreiz vermieden werden soll. 

Versuchen wir nun die Haarflut eines mutierten Tinkerschweifes zwischen unsere Hände zu quetschen und anzuheben. Was passiert? Zunächst haben wir echte Probleme einen ordentlichen Tinkerschweif überhaupt irgendwie mit zwei normal proportionierten (Frauen-) Händen zu umfassen. Bei den Beratern Bobby und Mac ein absolut unmögliches Unterfangen, man „klemmt“ die Geschichte besser irgendwie „unter den Arm“. Spätestens beim Versuch des Anhebens bemerken wir nach Überwindung der ganz natürlichen "Gegenwehr" vom Tier mittels Bänder- und Muskulatursystems:

‚Ist ziemlich schwer'.

Ein Pferd verfügt natürlich über Bänder, Sehnen und Muskeln in einer völlig anderen Dimension als wir Menschen, dennoch ist dieses Lebewesen in der Lage eine Fliege auf seinem Körper zu spüren. Empfindsam ist der scheinbar sturste, puscheligste Zeitgenosse und die besten Bänder und Muskeln kapitulieren irgendwann, wenn die STETIGE (Dauer-)Belastung einfach zu hoch ist. Nimmt man sich jetzt die Zeit oder beobachtet es durch Zufall, wie das Tier den Schweif beim Äppeln anhebt, kann man bei gut 80 % der Tiere bei voller Ausprägung des Schweifes beobachten, dass es ihnen sehr schwerfällt, das Teil ausreichend anzuheben, die Haare sind immer irgendwie im Weg. Die „Bremsspuren“ am Schweif werden plötzlich er klär- und nachvollziehbar. Ein entspanntes, lockeres Hin- und Herpendeln des Schweifes - für die meisten erwachsenen Tinker lediglich eine Erinnerung aus "Kindertagen".


Nun gibt es die Möglichkeit den Schweif einzuflechten, um diesem Übel den Kampf anzusagen. Es gibt wirklich wahre Flechtmeister(innen), welche ich aufrichtig beneide.

In der Fliegenlosen Jahreszeit oder „just for fun“ sicherlich eine tolle Idee und ein echter Blickfang. Doch Mutter Natur (oder besser die Evolution) hat sich ja etwas dabei „gedacht“ als sie Pferden den Schweif „mitgegeben“ hat. Zum einen zeigen Tiere durch ihren Schweif (bei anderen Arten eben den Schwanz) auch sehr deutlich ihre derzeitige Gemütslage an. Weiterhin dient der Schweif zum gezielten Verscheuchen und lästigen Insekten. Unseren Pferden fehlen eben Arme und Hände, wie wir Menschen sie haben, zum Verscheuchen. Pferden bleiben zur Abwehr tatsächlich nur der Schweif, Beine, das bekannte Muskelzucken und das Aufsuchen von vor Insekten geschützten Plätzen, sofern ihnen dieses in Gefangenschaft ermöglicht wird. Wenn es denn doch passiert ist und so ein blödes Vieh gestochen hat – ist die letzte "Instanz" ein gesundes Immunsystem. Damit wären wir dann wieder bei einer intakten Darmflora, welche zu ihrer Existenz eine wirklich ausgewogene Ernährung des Tieres, vorwiegend im Bereich der Mengen- und Spurenelemente benötigt, um evtl. übertragene Krankheitserreger direkt zu bekämpfen.
 

Um diesem ganzen Dilemma jedoch ein Ende zu setzen und dem Tier ECHTE HILFE zu leisten, sollte hier ab einem gewissen Schweifvolumen zur Schere gegriffen werden. Es ist zuweilen ausreichend, wenn der Schweif einfach auf eine Länge irgendwo zwischen Sprunggelenk und Gleichbein gekürzt wird, oftmals genügt dies jedoch leider nicht und der Schweif sollte/muss ausgedünnt werden.

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